2. April 2025
Sarah Winkler
Unsere Sprache ist im ständigen Wandel – sie lebt, atmet und formt unser Denken. Was vor 700 Jahren noch poetisch klang („Oh, welch gar liebliche und mannigfaltige Stadt ist dies“), würde heute vielleicht so formuliert: „Boah, die Stadt ist echt next level und gar nicht cringe!“. Worte tragen Gewicht. Sie beeinflussen unsere Wahrnehmung, unsere Emotionen und damit letztlich auch unser Handeln.
Lera Boroditsky zeigt in ihren Studien, dass Sprache weit mehr ist als ein reines Kommunikationsmittel. Sie strukturiert unsere Gedanken und prägt unsere Realität. Ein faszinierendes Beispiel: Das Wort „Brücke“ ist im Deutschen weiblich („die Brücke“) und wird häufig mit „elegant“ oder „schön“ assoziiert. Im Spanischen hingegen, wo das Wort männlich ist („el puente“), überwiegen Beschreibungen wie „stark“ oder „robust“. Ein einzelnes Wort verändert die Perspektive.
Gestaltung als Verstärker von Sprache
Doch Sprache endet nicht beim gesprochenen oder geschriebenen Wort. Ihre visuelle Umsetzung – etwa durch Typografie – verstärkt ihre Wirkung und macht ihre Botschaft greifbar.
Jenny Holzer nutzt Sprache als Kunst. Ihre „Truisms“ („Protect me from what I want“) erscheinen auf Leuchttafeln, Plakaten oder Gebäuden und beweisen, dass nicht nur Worte selbst, sondern auch ihre Inszenierung deren Bedeutung formt.
Stefan Sagmeister denkt Typografie als Erlebnis. Ob in Wasser geschrieben oder direkt auf Haut appliziert – seine Werke machen Sprache fühlbar. Sie zeigen, dass Gestaltung mehr kann, als Information zu übermitteln: Sie lässt uns Worte erleben.
Die Kraft der Sprache und Gestaltung
Ein durchdachtes typografisches Konzept kann positive Emotionen wecken, die Aufmerksamkeit steigern und ein tieferes Verständnis fördern. Die Art, wie Worte gestaltet werden, beeinflusst unsere Wahrnehmung – sie lenkt, verstärkt, verändert.
Abschließen möchte ich mit den Fragen von Lera Boroditsky „Warum denke ich, wie ich denke?“ – „Wie könnte ich anders denken?“ – „Welche Gedanken will ich hervorrufen?“
Wir dürfen uns sicher sein: Wir formen mit unseren Worten unsere Gedanken – und damit unsere Realität. Gestaltung gibt ihnen Kraft, Tiefe und Richtung. Denn das gestaltete Wort ist weit mehr als Information: Es ist Reflexion, Manipulation und Inspiration zugleich.
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